Entdeckungsgeschichte des Berliner Urvogels in neuem Licht

UrvogelStrich

Was der Experte Dr. Helmut Tischlinger herausfand

Eichstätt – Die Entdeckungsgeschichte des wertvollsten Fossils aller Zeiten muss umgeschrieben werden. Der in den 1870-er Jahren am Blumenberg bei Eichstätt in Bayern gefundene und heute im Museum für Naturkunde in Berlin aufbewahrte Urvogel Archaeopteryx wurde früher entdeckt, als bisher in der Fachliteratur angegeben ist. Die Ehre, der Entdecker zu sein, gebührt einem anderen Mann. Außerdem ist die Fundschicht vermutlich älter, und am Skelett dieses Archaeopteryx erkannte man neue Einzelheiten.

Herausgefunden hat dies der Fossilien-Experte und anerkannte Urvogel-Forscher Dr. Helmut Tischlinger aus Stammham (Landkreis Eichstätt). Seinen Recherchen zufolge kam der Urvogel vom Blumenberg, der heute in der Fachliteratur wegen seines Aufbewahrungsortes als "Berliner Exemplar" bezeichnet wird, nicht im Herbst 1876, sondern vermutlich schon 1875 oder sogar 1874 ans Tageslicht. Entdecker war nicht der Landwirt und Gastwirt Johann Dörr (1841-1915), sondern der Landwirt, Steinbruch- und Sandgrubenbesitzer Jakob Niemeyer (1839-1906), genannt "Sandjakl", aus dem Ort Blumenberg (heute ein Stadtteil von Eichstätt).

Jakob Niemeyer, dessen einzige Kuh gerade verendet war, verkaufte den auf seinem Gelände geborgenen Urvogel für eine Kuh zum damaligen Wert von 150 bis 180 Mark an seinen Nachbarn Johann Dörr, der das noch im Stein verborgene Fossil als Flugsaurier fehldeutete und für 300 Mark an den Steuerberater Ernst Häberlein (1819-1896) aus Weidenbach bei Ansbach veräußerte. Häberlein präparierte das von einer dünnen Gesteinsschicht bedeckte Fossil, bemerkte als erster Federabdrücke und seine wahre Natur als Urvogel. Im April 1880 verkaufte er das Fossil für 20.000 Goldmark, was einer heutigen Kaufkraft von mindestens 500.000 bis 1 Million Euro entspricht, an den Industriellen Werner von Siemens (1816-1892). Dieser überließ den Urvogel großzügigerweise zum selben Preis, der im April 1881 und im April 1882 in zwei Raten von je 10.000 Goldmark bezahlt wurde, dem damaligen "kgl. Mineralogischen Museum der Universität Berlin".

Die neuen Fakten über die Entdeckungsgeschichte des "Berliner Exemplars" verdankt Helmut Tischlinger der Eichstätter Steinbruchbesitzerin und Firmenleiterin Gunda Mayer. Sie wandte sich im Frühjahr 2005 an ihn, um aus ihrer Familienüberlieferung Details zur Fundgeschichte des "Blumenberger Urvogels" (heute "Berliner Exemplar") weiterzugeben. Sie stammt aus einer der Steinbruch-Dynastien vom Blumenberg bei Eichstätt. Ihr Urgroßvater Jakob Niemayer betrieb zur Entdeckungszeit des Urvogels einen Steinbruch und eine Sandgrube am südöstlichen Ortsrand des Ortes Blumenberg.

Gunda Mayer konnte Helmut Tischlinger genau die Stelle zeigen, wo einst das "Berliner Exemplar" ans Tageslicht gekommen war und wo sich heute ein Wiesengelände befindet. Dort existieren laut Geologischer Karte von Bayern nicht die sonst überall auf dem Blumenberg anstehenden Oberen Schichten des Weißjura, sondern ältere Untere Solnhofener Schichten des Weißjura. Wenn das "Berliner Exemplar" tatsächlich aus letzteren Schichten stammt, wäre es der geologisch älteste aller bisherigen zehn Urvogelfunde.

Früher hatte es irrtümlich geheißen, das "Berliner Exemplar" sei im Steinbruch von Johann Dörr entdeckt worden. In Wirklichkeit besaß Dörr aber, wie Tischlinger ermittelte, zur Fundzeit noch keinen Steinbruch, sondern erst viel später.

Helmut Tischlinger nahm 2003, 2004 und 2005 am "Berliner Archaeopteryx-Exemplar" umfangreiche Untersuchungen unter langwelligem ultraviolottem Licht mit einer verbesserten Filterungstechnik vor. Dabei konnte er mehrere bisher unklare Einzelheiten des Skelettbaus unterscheiden und wissenschaftlich beschreiben.

Untersuchungen am Schultergürtel des "Berliner Urvogels" durch Tischlinger zeigten, dass dieser nicht gut und ausdauernd fliegen konnte. Er habe eher wie ein Hühnervogel gelebt.

Überraschenderweise stellte sich zudem heraus, dass die Reste der Federn nicht nur als Abdruck, sondern stellenweise auch als dunkler Substanzfilm erhalten sind. Die Federreste stimmen in ihrem Bau mit Federn moderner Vögel überein. Tischlinger vermutet, der Urvogel sei rebhuhnfarben gemustert gewesen.

In der Zeitschrift "Archaeopteryx" des Jura-Museums Eichstätt schilderte Tischlinger auch, wie das "Berliner Archaeopteryx-Exemplar" gegen Ende des Zweiten Weltkrieges vor Zerstörung bei Luftangriffen oder Abtransport nach Russland bewahrt wurde. Als die Bombardements zunahmen, entfernte man im Museumskeller einige Bodenplatten, hob eine Grube aus, versenkte darin den Urvogel in einer feuerfesten Stahlkassette zusammen mit dem Kopf eines riesigen Dinosauriers aus Afrika. Danach tarnte man das Versteck mit Sand- und Bodenplatten so gut, dass es bei Kriegsende nicht aufspürbar war.

Literatur:
Ernst Probst: Archaeopteryx - Die Urvögel aus Bayern
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